Ich fande heute einen, in meinem Augen, interessanten und gut geschriebenen Artikel über Andreas Renz:
Samstag, 3. September 2011. Der Tag, der mit einem Schlag ein Leben veränderte. Das Training in der Helios-Arena dauert nur noch wenige Minuten, als die Kelle von Maximilian Hofbauers Schläger bei einem Zweikampf unter das Visier von Andreas Renz eindringt.
Die Minuten danach sind schier unerträglich. Der Schwenninger Verteidiger spürt sofort, dass etwas Schlimmes passiert sein muss. „Im ersten Moment dachte ich, das rechte Auge liegt auf dem Eis“, erinnert sich der 35-Jährige. Augenblicke der Ungewissheit folgen. Der Gang in die Kabine. Vor dem Spiegel nimmt Renz die Hand vorsichtig vom blutverschmierten Gesicht. Gott sei Dank, das Auge ist noch da, aber es sieht schlimm aus. Die Pupille ist derart lädiert, dass die Sehkraft auf 30 Prozent schrumpft. Besserung ist nicht in Sicht.
Andi Renz ist ein Kämpfer. Er denkt nach dem tragischen Unfall nicht daran, die Schlittschuhe an den Nagel zu hängen. Im Gegenteil. Er will es noch mal wissen und mit den Wild Wings endlich die Meisterschaft in der 2. Bundesliga gewinnen. Der Schwenninger Kapitän spielt mit einem Schutzgitter die komplette Saison durch. Aber nichts ist mehr wie früher. Fortan kämpft Renz nicht nur mit den Gegenspielern, sondern auch mit einem großen Handicap. Mit seinem rechten Auge erkennt er den Puck nur noch unscharf, das räumliche Sehen fehlt gänzlich.
Nicht einfach für einen Eishockey-Profi, der das Spiel blitzschnell antizipieren muss. „Auch das Gitter vor meinem Gesicht war schlimm“, sagt Renz. Der spezielle Schutz für das Auge behindert ihn nicht nur, er wird für die Kontrahenten zur bevorzugten Angriffsfläche – physisch und verbal. Renz: „Ich habe unglaublich viele Schläge auf das Gitter abgekriegt.“ Selbst junge Spieler sparten nicht mit Spott. Sie reizten den SERC-Verteidiger mit Sätzen wie: „Du Weichei, nimm das Gitter ab.“ „Solche Provokationen haben die Entscheidung, aufzuhören, leichter gemacht“, gibt Renz Einblick in seine Psyche.
Weichei – das tat in der Seele weh. Andreas Renz war in seiner 18-jährigen Karriere als Eishockey-Profi alles andere als ein Weichei. „Solch einen Spieler gibt es nur ein Mal. Er hat nie aufgegeben. In meiner Zeit als Trainer habe ich keinen Spieler mit einem besseren Charakter erlebt. Es gab auch keine Verletzung, die ihn daran gehindert hätte zu spielen“, sagt Meistertrainer Hans Zach über seinen ehemaligen Schützling.
Zach und Renz – zwei herausragende Persönlichkeiten im deutschen Eishockey. Beide arbeiteten vier Jahre in Köln und acht Jahre in der Nationalmannschaft zusammen, lernten sich kennen und schätzen. Der kantige Coach aus Bad Tölz prägte den Schwenninger Jungprofi, der kurz zuvor den Schritt vom Neckarursprung an den Rhein gewagt hatte. „Ein feiner Mensch“, urteilt Renz über Zach. Er könnte stundenlang Anekdoten über seinen einstigen Chef erzählen, sogar ein Buch über ihn schreiben. „Da gibt es irre Geschichten. Ich habe schon gestandene Profis unter Zach weinen sehen. Wenn er einen Spieler auf dem Kieker hat, kann es ihn die Hölle sein.“
Renz musste nie unter Zach leiden. Kein Wunder, denn er verkörperte alle Tugenden, die dem „Alpenvulkan“ gefielen. Der Verteidiger hatte ein großes Kämpferherz, die richtige Einstellung und sprühte vor Ehrgeiz. Ansonsten hätte er keine 892 DEL- und 182 Länderspiele absolviert. Eine imposante Bilanz für einen, der kein begnadetes Talent war und erst im Alter von zehn Jahren erstmals auf Schlittschuhen stand. „Ich habe aus meinen Möglichkeiten das Optimale gemacht“, sagt Renz.
Im Sommer endete mit dem Rücktritt als Spieler eine Ära. Mit Andreas Renz als Trainer begann ein neuer Zeitabschnitt. Seit August arbeitet er als Assistent von Schwenningens Chef-Coach Stefan Mair. „Ein reizvoller Job“, beschreibt Renz seinen neuen Beruf, den zu ergreifen er vor einigen Jahren noch für ausgeschlossen gehalten hatte. Ein Rollenwechsel, an den sich auch die Wild Wings erst gewöhnen mussten, zumal Renz plötzlich zum Vorgesetzten seiner ehemaligen Spielerkollegen avancierte. „Einige Jungs haben mich sogar gefragt, ob wir zusammen noch ein Bier trinken können, bevor ich Coach werde.“
Renz will so schnell wie möglich in die neue Trainerrolle hineinwachsen, ohne seinem einstigen Lehrmeister Zach nachzueifern. „Du kannst einen Menschen wie Hans nicht kopieren. Du musst deinen eigenen Weg finden, authentisch und glaubwürdig bleiben“, sagt Renz. Den B-Trainerschein hat er seit einigen Wochen in der Tasche; bald folgt der A-Schein. Diese Qualifikation braucht ein Coach, um einen DEL-Klub oder eine Mannschaft in der Deutschen Nachwuchsliga zu trainieren.
Neben dem Job als Co-Trainer hat Andi Renz bei den Wild Wings noch weitere Aufgaben übernommen. Er soll neuen Schwung in den Nachwuchsbereich bringen. „Wir wollen in den nächsten Jahren wieder eigene Spieler in unserer Profimannschaft sehen“, lautet das ehrgeizige Ziel. Außerdem will er dank gezielter Öffentlichkeitsarbeit den Klub und die Anhänger in einen verschworenen Haufen verwandeln. „Team und Fans waren keine richtige Einheit mehr, das muss sich wieder ändern.“
Auf Eishockey allein will Renz sein künftiges Leben jedoch nicht aufbauen. Vor kurzem gründete er eine Beratungsfirma für Sportler, die mit den Folgen schwerer Verletzungen zu kämpfen haben. Auch im Gastronomiebereich ist er aktiv. Vor zehn Jahren kaufte Renz die Seebuck-Hütte auf dem Feldberg. Am liebsten aber will er dem Sport verbunden bleiben. „In zwei Jahren werde ich sehen, wohin der Weg führt. Dann weiß ich, ob mir der neue Job als Trainer liegt.“ Es wäre die nahtlose Fortsetzung einer Bilderbuch-Karriere, die vor gut einem Jahr mit einem Schlag aufs rechte Auge jäh zu enden drohte.
Quelle Südkurier